Reportage Porträt Eva Wolfangel

stern.de, 12.11.2008  -  online

In der Adventszeit stellen wir jeden Tag einen Menschen vor, den sein Engagement für andere oder der Umgang mit dem eigenen Schicksal auszeichnet. Heute: Zackie Achmat. Der Südafrikaner kämpft für die Anerkennung der HIV-Positiven in seinem Land.

Die jungen Männer sitzen dicht gedrängt in dem kleinen Raum eines heruntergekommenen Hauses im Slum Khayelitsha, nahe Kapstadt. In ihrer Mitte Zackie Achmat, 46. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "HIV positive". Die Männer planen Großes: Eine Demonstration gegen Gewalt und für die Rechte von Homosexuellen. "An diesem Marsch sollte niemand unter 16 Jahren teilnehmen - die Lage ist alles andere als einfach", sagt Achmat besorgt.

Bei der Planung der Demonstration haben die jungen Aktivisten der Treatment Action Campaign (TAC) diesmal einen gefährliche Gegner. Eine ihrer Kameradinnen ist vor zwei Jahren von Nachbarn umgebracht worden, nachdem bekannt wurde, dass sie HIV-positiv ist. Die Täter wurden nur auf Drängen der TAC verurteilt. Jetzt wollen deren Freunde zurückschlagen. "Wir bringen euch um", haben sie gedroht.

Doch das öffentliche Bekenntnis ist eine der wichtigsten Aktionsformen der TAC. Tausende von "HIV-positive"-Shirts sind in Kapstadt im Umlauf. "Brot für die Welt" war einer der ersten Partner der TAC. "Die Zusammenarbeit geht weit über das Finanzielle hinaus", sagt er. Auch inhaltlich seien die beiden Organisationen tief verbunden.

Achmat gehört zu den alten Hasen der Bewegung. Viele Menschen schauen heute zu ihm auf und bewundern den Mut, den er aufbrachte, als er 2003 für seine Überzeugung sein Leben aufs Spiel setzte. Zackies Aidserkrankung war damals bereits weit fortgeschritten. Zwar hatte er das Geld für die notwendigen Medikamente, doch wollte er sie nicht, solange sie nicht für alle verfügbar sind. Selbst nicht auf Drängen seiner TAC-Mitstreiter und des Ex-Präsidenten Nelson Mandela hin. Im August 2003 gab die südafrikanische Regierung dem Druck nach. Präsident Thabo Mbeki versprach, Aids-Medikamente kostenlos zur Verfügung zu stellen. Achmat begann nun die Tabletten zu schlucken. "Zwei Wochen später ging es mir besser."

Achmat kämpft an vielen Fronten. Als Sohn einer indisch-malaysischen Arbeiterfamilie im südafrikanischen Apartheidssystem, wurde ihm die Ungerechtigkeit der Welt quasi in die Wiege gelegt - farbig, Arbeiterkind und schwul. 1976 solidarisierte er sich mit den Kämpfern des Sowetoaufstandes gegen die Apartheid. Seine restliche Jugend verbrachte er meist im Gefängnis. Danach kämpfte er fast zehn Jahre lang im Untergrund gegen Apartheid und gründete schließlich die United Democratic Front als legalen Arm der verbotenen Schwarzen- und Farbigenpartei ANC. Auch nach dem Ende der Apartheid 1990 vertrat Achmat seine Inhalte auf der Straße. So setzte er durch, dass Homosexuelle nicht länger diskriminiert werden dürfen.

Am 10. Dezember 2008 feiert die TAC ihr zehnjähriges Bestehen. "Trotz unserer Erfolge sterben nach wie vor jeden Tag 800 Menschen in Südafrika an Aids." Aids ist heute zwar kein Tabu mehr, aber die Aktivisten leben noch immer gefährlich. Achmat wird trotzdem zur Demonstration gehen und sein HIV-positiv-Shirt tragen - jetzt erst recht.